Wie der Zufall so verspielt ist

Das Dasein jedes Einzelnen beruht ja auf einem riesengroßen Zufall.

Also hier, Spermienwettschwimmen gewinnen und in der Folge gut gedeihen und alles, so dass man überhaupt erstmal zur Welt kommt.
Zufall auch, wo genau man nun das Licht der Welt erblickt. Und die daraus folgende Möglichkeit, eine Schule besuchen, einen Abschluss, eine Ausbildung, eine wie auch immer geartete berufliche Karriere machen, sich den Partner fürs Leben selbst aussuchen zu können. Alles Zufall.

Oder es knallt wegen Durchzugs ganz plötzlich das Fenster in den Rahmen. Auch ein Zufall, aber ein anderer.

Die oben genannten, allgemein bekannten schicksalhaften Fügungen vermögen es jedoch nur noch selten und nur bei näherer Betrachtung, großartig Verblüffung zu stiften. Viel häufiger sind es kleine Begebenheiten des Alltags, die einen höchst verdutzt dreinblicken lassen.

Eine solche ereignete sich jüngst. Und davon möchte ich nun berichten.

Vorausschicken muss ich, dass ich Trommelmann in einer Band bin.
Einer seit ca. 10 Jahren bestehenden, über die Jahre personell mehrmals veränderten, niemals über kleine Clubauftritte hinausgekommenen, fünfköpfigen Band ohne jegliche Plattendealaussichten oder diesbezügliche Ambitionen zwar, aber einer tollen. Immerhin. Und ich bin einer von zwei übrig gebliebenen Bandgründern. (Diese Tatsache wäre eigentlich egal, trägt aber zum Verblüffungsgrad der vorliegenden Geschichte bei.)

Wir sind mehr Freunde als Bandkumpels, und wir verstehen uns nicht nur als Musik-Kapelle, die sich -im besten Fall- zwei Mal pro Woche trifft, um plump bestehendes Zeug zu festigen und neuen Kram zu proben, sondern wir machen auch ziemlich viel Unsinn fernab der Musik. Die Lebensabschnittsgefährtin unseres Sängers nannte uns einst eine „Krabbelgruppe“, und wir alle sind uns einig, dass es das wunderbar trifft.

Nun bringen es die jeweiligen Lebensumstände der Herren Musikanten leider so mit sich, dass der eine oder andere mitunter einer Bandprobe fernbleiben muss. In letzter Zeit ist hier eine ziemliche Häufung an nicht vollständigen Probeabenden zu verzeichnen, was schade, aber eben nun mal nicht zu ändern ist.

Kürzlich, eines freitags dann, war dann mal ich der Absager. Wieso, weshalb, warum, das soll hier mal egal sein. Jedenfalls meldete ich mich aus irgendeinem Grund ab, und evtl. tat ich dies kurz zuvor -vielleicht aus einem anderen Grund- schon einmal. Grundsätzlich nicht schlimm, das passiert eben. Doch hier beginnt die eigentliche Geschichte.

Nämlich klingelte just am darauffolgenden Sonntagmorgen um ca. 13:40 Uhr mein Festnetz-Telefon. Schlafbeanzugt nahm ich das Gespräch entgegen, und es meldete sich Hartmut.

    „Meia, hallo!“
    „Ja, hallo, hier ist Hartmut. Ich melde mich wegen der Anzeige auf berlinmusiker.de, ist das noch aktuell?“
    „Ähem. Wat? Wie? Warte mal!“

Ich legte den Hörer beiseite, rieb mir kurz die Augen, nahm meinen Kaffepott, trank einen kräftigen Schluck und widmete mich wieder Hartmut.

    „Öhm. Ja, da bin ich wieder. Worum geht’s denn genau?“
    „Naja, das Inserat hier. Ihr sucht einen Schlagzeuger, ne? Und Ihr macht schon so eher rocklastiges Zeug, oder?“

KABONK! Ungefähr das Geräusch muss es gewesen sein, als ich rückwärts auf meinen Schreibtischstuhl fiel.

    „Moment mal! Inserat? Schlagzeuger? Sollen ditte?“

Ich dachte unweigerlich an einen miesen Streich meiner Bandjungs. Einen Schlagzeuger suchen, für eine Rockband, und ausgerechnet meine Nummer angeben… Ihr Ernst konnte das ja wohl kaum gewesen sein! Diese verfluchten Hunde!
Oder hatte etwa ich selbst, schlafwandelnderweise, in einem schlechten Traum… …?

Hartmut zerbarst mein Kopfkino:

    „Oder habt Ihr schon einen gefunden?“
    „Na nee. Ja. Also anders. Ich spiele zwar in ’ner Band, aber wir suchen eigentlich niemanden derzeit.“
    „Na, das ist ja komisch. Ist doch recht aktuell, der Eintrag.“
    „Ja, mag sein. Aber würden wir einen Drummer suchen, und hätte ich das inseriert, dann sollte ich als Drummer das aber wissen, findste nich?“
    „Oh!“
    „Ja, tut mir leid. Aber da liegt dann wohl ein Missverständnis vor. Mach’s mal jut!“
    „Gut. Ähm. Tschüss!“

Niemand wird je erfahren, wer von uns beiden nach dem Auflegen bescheuerter dreinschaute.

Ich öffnete sogleich die erwähnte Website, und als zu diesem Zeitpunkt frischester Artikel unter „Band sucht Musiker – Drums“ war tatsächlich der von Hartmut erwähnte Text zu lesen:

    Bekanntes Berliner Rocktrio sucht neuen, ambitionierten und erfahrenen Schlagzeuger für weitere, bereits kurzfristig anstehende, Auftrittstermine! Fon: (030)897…..

Gut, es handelte sich hier um ein Trio, noch dazu um ein bekanntes mit kurzfristig anstehenden Auftrittsterminen (und einem Kommafehler), das suchte. Aber was wusste ich denn schon um die Beweggründe desjenigen verfluchenswerten Gesellen, der dieses Inserat verfasst hatte? Selbst, wenn ich persönlich -sei es im Fieberwahn oder Suff geschehen- der Autor war.

Die veröffentlichte Telefonnummer sah auf den ersten Blick tatsächlich aus wie meine. Erst nach dreimaligem Vorbeten der Nummer fiel mir auf, dass eine einzige (!) der acht Ziffern sich von denen in meiner Telefonnummer unterschied.

Hartmut hatte sich demnach schlicht verwählt!
Und landete somit ausgerechnet bei jemandem, der seinerseits Musik macht. Und sogar auch Trommler ist. Und den dieser Anruf einen Moment lang wirklich schwer verdutzte.

Die technische Errungenschaft der Rufnummernübermittlung ist übrigens ein Segen. Dank ihr konnte ich Hartmut dann noch zurückrufen, um ihm sein Missgeschick beim Eintippen der Zahlen zu erklären und ihm die tatsächlich genannte Rufnummer zu diktieren..

Wir kamen hierbei natürlich nicht umhin, uns über unsere Fassungslosigkeit dieses Zufalls auszutauschen und uns am Ende etwa 10 Minuten lang köstlich darüber zu amüsieren.

Ganz zum Schluss wünschte ich Hartmut viel Erfolg bei der Bandsuche. Und nahm sämtliche Flüche von meinen Bandjungs.
Und mir.
Sicher ist sicher!

2 Kommentare

  1. Toller Beitrag. :clap: Auch ich frage mich :scratch: Gibt es überhaupt Zufälle? :noo: :jaa: Ob der Autor was dagegen hat, wenn ich noch mehr smileys aktiviere? :motz: Ich glaube nicht, der Meia ist doch sensibel. :grrr:
    Jedenfalls glaube ich, dis könnte ein Zeichen sein. Vielleicht suchen die wirklich heimlich einen neuen Trommler? Ringo Starr is ja auch wieder frei. Seien Sie wachsam!
    Ich selbst erlebe seit geraumer Zeit, daß im selben Moment, wo ich ein Wort irgendwo lese, dieses Wort im Fernsehn oder Radio oder von jemand im Raum befindlichem ausgesprochen wird. Das kann ja langsam kein Zufall mehr sein. Sprach der Grottenolm nach Jahren der sorgsamen Beobachtung. Gruß :cool:

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