Bestraft wirste imma

Höflichkeit, das wissen manche nicht, ist ja grundsätzlich eine recht angenehme Sache. In übertriebener Form geht sie mir irgendwann auf den Geist, in dieser affektierten Form, bei der man sich eher verarscht als geachtet fühlt. Aber so kleine, unaufdringliche Gesten, die dem Spender nicht weh- und dem Empfänger sogar recht wohltun, die schätze ich doch sehr.

Hier mal jemandem die Tür aufhalten, dort einfach mal einen schönen Tag wünschen, alles nicht sehr schwierig. Ich bestehe nicht zwingend darauf, und auch habe ich nicht den Anspruch an mich selbst, immerzu höflich zu sein. Das kann man wahrscheinlich auch gar nicht durchhalten. Und doch empfinde ich es als durchaus angenehm, sich im Alltag möglichst höflich zu begegnen.

Im Job zum Beispiel müsste ich schon sehr, sehr in Gedanken verloren sein, um vor dem Eintreten in ein anderes Büro das Anklopfen zu vergessen. Ich finde einfach, das gehört sich so, selbst wenn es schon vorgekommen sein mag, dass ich das erwartete „Herein!“ von jenseits der Tür nicht verstanden, sondern eben einfach vorausgesetzt und sodann die Tür geöffnet habe. Immerhin war der Büro-Insasse nun annähernd vorgewarnt. Jedoch nicht jeder meiner Kollegen hält dies so. Einer dieser Kollegen zog sich hierdurch heute zu einem kleinen Teil meinen Unmut, zu einem größeren aber eine Verletzung und obendrein meine Schadenfreude zu.

Es war nämlich so: meine Uhr, eine analoge, nachgebildete Bahnhofsuhr, die im Inneren meines Büros über der Tür hängt, stand nun bereits seit etwa 6 Tagen. Im Grunde ein zu vernachlässigender Aspekt, da ich sie aufgrund verschiedener anderer Zeitanzeiger, die ich büroseits tagtäglich vor Augen habe, ohnehin kaum beachte. Nun fiel mir kürzlich aber doch die Zeigerkonstellation auf. Der große zeigte auf die 8, der kleine auf die 7, und sowohl am Morgen als auch am Abend ist dies in meinem Fall eine ziemlich unrealistische Anwesenheits- und demzufolge eine ebensolche Aufdieuhrguckzeit.
Ein paar Tage musste die Idee reifen, die leere Uhrenbatterie durch eine neue zu ersetzen, doch heute war es dann so weit.

Hierfür stellte ich dann also einen Stuhl vor die Tür und mich drauf. Die Uhr, das muss ich erwähnen, ist mit einer verzwickelten Aufhängetechnik an der Wand angebracht. Also im Grunde ist es ein Nagel in der Wand, über den eine an der Uhr angebrachte, ihrerseits bewegliche Metallnase mit Loch gestülpt ist. Verzwickelt eben, und daher einige Sekunden in Anspruch nehmend, jedenfalls beim Wiederaufhängen.
Und dabei war ich nach dem Batteriewechsel nun gerade, als sich vor und unter mir die Tür öffnete. Unangeklopft hatte sich der Kollege Zutritt zu verschaffen versucht. Die Tür indes öffnete sich wegen des Stuhls mit mir obendrauf nur einen kleinen Spalt, was er natürlich nicht ahnen konnte, und so wömmste sein Schädel mit dem vollem Schwung seines Körpers gegen das abrupt stoppende Türblatt.

Ich hörte ein „Aaaah!“, dachte mir „Selbst schuld!“, stieg aber sogleich vom Stuhl, schob ihn weg, öffnete die Tür ganz, sah dort den Kollegen stehen, die Hand an die Stirn haltend, verkniff mir mein Gelächter und sagte, höflich wie ich nun mal gern bin: „Oh, das tut mir leid!“.

Was er eigentlich bei oder von mir wollte, ist nicht überliefert, jedenfalls zierte die Kollegenstirn fortan eine hübsche Brüsche. Und wird es auch morgen noch tun. Und vielleicht auch noch übermorgen.
Als er wieder verschwunden war, verbrachte ich Minuten damit, über sein Missgeschick zu grinsen.

Später am Tag musste ich feststellen, dass Schadenfreude karmatechnisch offenbar jedweder Höflichkeit überwiegt.
Ich saß am Schreibtisch vor einem Schälchen zubereiteter Tütensuppe, „Nudeln in Rahmsoße“, welches ich irgendwann anhob, um es schräg halten und auf diese Art auslöffeln zu können. Hierbei glitt es mir aus der Hand und setzte beim Aufprall auf dem Tisch eine -objektiv betrachtet sicherlich wunderschöne- Suppenfontäne frei, die einige herumliegende Unterlagen, die Tastatur, das nebenan liegende Smartphone und nicht zuletzt mein Gesicht und Hemd mit Rahmsoßennudelpampe besudelte.

Höflichkeitstechnisch wäre es wohl fair gewesen, hätte der Kollege dieser Situation beiwohnen können.
Aber manchmal ist das Leben eben doch unfair.

2 Kommentare

  1. Hat doch Mama schon immer gesagt, das mit den „Kleinen Sünden“ ;) Hätteste ja höflichkeitshalber mal unangeklopft beim Kollegen vorbeigehen können.

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