Die Geister, die ich rief

Im Kellergewölbe vor dem Proberaum hängt seit Jahren ein selbstgebasteltes Schild herum. Seine Aufschrift „wird frisch“ lässt vermuten, dass es sich hierbei einst um ein größeres Schild handelte und der Hinweis ursprünglich mit dem Wort „gestrichen“ endete. Darüber hatte ich mir bis jetzt aber noch niemals Gedanken gemacht. Auch egal.

Vorgestern jedenfalls ging ich zum gefühlten siebenhundertsechundachtzigsten Mal daran vorbei, und ich spürte plötzlich den unerklärlichen Impuls, es fotografisch festzuhalten. Weder hatte ich eine Ahnung, was ich mit dem Foto anstellen wollte, noch war mir nur annähernd klar, dass ich hier wohl ein Zeichen empfangen hatte. Mehr noch, ich hatte den Schnappschuss kurz nach dem Knipsen schon wieder vergessen.

Bis heute Abend.

Als ich nach einem langen Arbeitstag mit anschließendem Einkauf und mit dem Plan im Kopf nach Hause komme, mir nun ein fürstliches Mahl zu bereiten und daraufhin entspannt der Champions League-Übertragung beizuwohnen, merke ich noch nichts. Erst, als ich mir vor dem Kochen die Hände waschen möchte, was ich für gewöhnlich mit warmem Wasser zu tun pflege, wird’s seltsam: das Wasser wird und wird nicht warm. Als ob dies irgendeinen Sinn ergeben würde, probiere ich sogleich, ob denn vielleicht die Duscharmatur warmes Wasser ausspuckt und renne hinterher in die Küche, um selbiges dort zu versuchen. Hier wie dort: nichts. Also doch etwas, nämlich eiskaltes Wasser trotz des bis zum Anschlag aufgedrehten Warmwasserhahns.

Der nächste Gedanke: die Heizung! Ich heize nicht permanent, und so finde ich die Heizkörper zugedreht und kalt vor. Ein Dreh am Thermostat bringt jedoch sofort Gewissheit, dass auch die Heizungsanlage ausgefallen zu sein scheint. Die Freude ist groß. Und ich friere plötzlich, obwohl es in der Bude wahrscheinlich nicht kälter geworden ist in den letzten Minuten.

Für einen Anruf bei der Hausverwaltung ist es längst zu spät, und so koche ich mir zunächst mein Essen, was für einen Moment wohlige Wärme spendet. Auch das Essen an sich wärmt ein wenig, von innen eben. Währenddessen überlege ich jedoch, was nun zu tun ist. Und den Rest des Abends verbringe ich damit, ein von der Hausverwaltung zwar zur Mailübermittlung bereitgestelltes, aber lustigerweise nicht online beschreibbares Schadensmeldungs-PDF abzupinseln, es auszufüllen und meinerseits ein PDF daraus zu basteln. Zusätzlich dazu setze ich ein Schreiben auf, in dem ich um umgehende Mängelbehebung bitte und darauf verweise, mir den Gebrauch meines Mietminderungsrechts vorzubehalten. Beides schicke ich per Mail ab, und schon ist es Nacht. Fußball ist natürlich längst vorbei.

Als ich mich langsam an den Gedanken gewöhne, diese Nacht dick angezogen unter zwei Bettdecken verbringen zu müssen, fällt mir plötzlich das Foto wieder ein.

Hätte ich das Zeichen zu deuten gewusst, ich hätte das Foto niemals geschossen!

Rotweissagung

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